Kooperation im Klassenzimmer

Es gibt schon viele Artikel über Kooperation/Kollaboration (Unterschied z.B. hier) in Klassenzimmern. Aber immer wieder verschwimmen Begrifflichkeiten, alle sprechen davon, wie wirksam das ist und erstaunlich selten finde ich dazu Praxisbeispiele oder ein wirklich passendes Verständnis dazu. Daher möchte ich mit diesem Blogartikel mal von meinen Beispielen hinsichtlich der Kompetenz "Kommunizieren und Kooperieren" berichten. Als Artikel erscheint mir diese Zusammenfassung im mebis Magazin sehr sinnvoll. Das deckt sich in großen Teilen mit meinem Vorgehen, unterstreicht aber auch nochmal die Bedeutung.

Es ist vielleicht auch eine Partner- und Gruppenarbeit, aber eigentlich geht es bei der digitalen Zusammenarbeit um viel mehr: Vorbereitung auf eine neue Arbeitswelt, Auseinandersetzung und Abstimmung im digitalen Raum, Organisationsfähigkeiten, eine weitere Möglichkeit für das selbstregulierte Lernen, gemeinsame Erarbeitung aller Teilschritt, nicht nur Aufteilen von Aufgaben,... Aber am Ende sind die Beispiele dazu gar nicht so aufbrausend. Man fängt klein an, lässt die Magie wirken, reflektiert das Handeln und optimiert es.. Aber dann ist es oft so viel besser als nur vor sich hinarbeiten oder analoge Partner- und Gruppenarbeit - die man deswegen aber nicht gänzlich streichen muss...

ein paar Beispiele

  • Ergebnisse sammeln/Brainstorming: das geht bei mir am einfachsten mit Taskcards oder Mentimeter. Ein schnelles Stimmungsbild per Mentimeter oder die im Unterricht erarbeiteten Aufgaben in einer Taskcards sammeln. Manchmal lasse ich die Aufgabe auch zu Hause erledigen und sammle von zu Hause ein, um im Unterricht darüber zu diskutieren - oft auch schon mit Kommentaren vorab. Auch als Lösungsmuster immer wieder toll: jeder Schüler eine Aufgabe mustergültig und ein gemeinsames Board für die Übersicht aller Lösungen...
  • gemeinsam ein ebook erstellen: mit dem BookCreator macht es total Spaß, Inhalte zu generieren. Zusammen noch viel mehr. Also gibt es den Arbeitsauftrag, zusammen zu einem Thema etwas zu basteln. Das braucht eine höhere Disziplin, man muss ich abstimmen, strukturieren und möglichst nicht gleichzeitig an derselben Stelle arbeiten. Ich nutze das gerne im Religionsunterricht, aber auch im Fach Mathematik haben sie schon ebooks erstellt. 
  • online zusammen arbeiten in Office-Dokumenten: aktuell mein absolutes Highlight. Mit dem ByCS-Office bringe ich die Kids immer wieder in kooperative Szenarien. Das geht natürlich auch mit Microsoft Office oder mit Apple Pages und Keynote. Das ByCS-Office wurde aber passend zum Unterricht konzipiert und lässt sich einfach im Browser in der BayernCloud Schule bedienen - datenschutzkonform. Durch den Datenabgleich mit der Verwaltungssoftware kann auch jeder jeden an einer Schule zur Zusammenarbeit an einem Dokument einladen. 
    Ich stelle hier zum Beispiel Word-Dokumente ein, die in Tabellenform mit Inhalten gefüllt werden sollen. Diese verteile ich im Drive an die Schüler und so arbeiten die z.B. in Kleingruppen an sechs verschiedenen Dokumenten, können aber andere Gruppen auch einsehen.
    Viel schöner ist es aber, wenn die Schüler selbst ein Dokument erstellen, die Zusammenarbeit strukturieren und sich damit intensiv abstimmen (geht Richtung Kollaboration). Das ist dann der nächste Schritt. An den Namen im Dokument sieht man jederzeit, wer gerade an was arbeitet. Zusammen mit einer KI ein mächtiges Tool, um z.B. gemeinsame Präsentationen zu einem Thema zu erstellen. Next level: sich mit dem bycs messenger oder der Videokonferenz zu Hause abstimmen und am Dokument weiterarbeiten, auch wenn gar nicht vom Lehrer vorgegeben wurde, wie das gemeinsame Produkt aussehen soll. 

Alles mit dem Ziel, dass die Schüler das Zusammenarbeiten lernen, aber auch lernen, sich abzustimmen. Diese Kompetenz ist nicht per se da, sie muss erlernt werden. Wichtig ist es hier auch, nicht an einem Tool hängen zu bleiben. Die Kids brauchen ein Potpourri an Möglichkeiten, um dann selbstreguliert auswählen zu können, wenn sie mal gemeinsam ein Projekt starten wollen - unabhängig vom Unterricht. 

Aller Anfang ist schwer

Diese Kompetenz ist selten bei Kids vorhanden. Daher braucht es immer wieder zu Beginn Anleitungen, aber auch Regeln. Oft lasse ich sie dazu einfach ohne Anleitung auf ein gemeinsames Board und los gehts: danach erarbeiten wir uns die Regeln dazu, weil oft genau das schief geht, was immer schief geht. 
Mit der Zeit lernt man, weclhe Impulse man vorab geben muss, dass es nicht passiert. Man lernt auch, nicht die schwierigste Form der online Zusammenarbeit zu wählen. Das ist soweiso der heißeste Tipp bei der Digitalen Transformation: ich wähle das Thema aus, mit dem am Warscheinlichsten eine solche Kompetenz angebahnt werden kann und steigere mich langsam. z.B.: Lösungsmuster einer analogen Arbeit hochladen, eigene Idee schreiben (nicht fertiges Lernprodukt), nach einer Meinung fragen,... Erst das Finale ist ein Produkt selbst erstellen, mit Inhalten füllen und die Arbeit untereinander strukturieren und organsisieren. Dahin ist es meist ein längerer Weg. Es wäre sinnlos, dies von Schülern gleich zu Beginn abzuverlangen und anschließend zu sagen: meine Schüler können das nicht (diese Aussage kommt oft und triggert mich stark)

Folgende Dinge reflektiere ich mit meinen Schülern vorab (nicht alles auf einmal):

  • Was ist eine Cloud und wieso lässt es sich da prima zusammenarbeiten?
  • Datenschutz und Urheberrecht - was darf wohin?
  • Wie sieht ein hilfreiches Feedback aus?
  • Welche Regeln brauche ich, dass gemeinsam Gutes entsteht und am Ende Dinge nicht einfach "verschwinden" oder nach 30 Minuten noch nichts passiert ist.
  • immer ein Schüler lässt sich mit seinem gespiegelten Gerät von mir führen und klickt. Schülerperspektive wird vom Schüler gezeigt. Wenn mit Freigaben gearbeitet wird, wechseln wir anschließend die Perspektive und der Schüler der Freigabe zeigt, wo er die Datei findet.
  • Wo speichere ich, wie bekomme ich Dateien dorthin und wo findet man Sie später wieder? Als Ersteller und Mitarbeiter?
  • Was macht die Lehrkraft währenddessen? (kollaboratives Arbeiten heißt nicht laissez-faire, ich poche stark auf Einhaltung und werde ungemütlich, wenn jemand vor einem "Machen" entflieht)

 An alles kann ich aber auch nicht immer denken. Bei Bedarf unterbrechen wir, lösen Probleme gemeinsam oder justieren bei den Regeln nach. 

Technische Hürde Lehrkraft?

Mit einigen Kollegen nutzen wir z.B. das kollaborative Arbeiten über ByCS Office schon regelmäßig. Auch scheint bei den Schülern nicht wirklich eine technische Hürde da zu sein. "Ich hab voll den Flow Herr Schmidt, machen wir das jetzt öfters?", war eine sehr süße Antwort eines Schülers auf diese Frage. In angebotenen Schilfs sind wenige Teilnehmer, aber die sind danach baff, was alles möglich ist. Ich glaube, dass das oben genannte Verständnis für eine Cloud und die damit verbundene Möglichkeit der Kooperation noch gar nicht richtig in den Lehrerzimmern angekommen ist. Woher auch? Bis jetzt hat es gereicht, den USB-Stick immer und überall dabei zu haben. Datenschutzkonforme Clouds für alle schulischen Dateien gab es kaum. 

Wir haben deshalb auch alle unsere Verwaltungsdateien an der ganzen Schule (auch die der Schulleitung) in die Cloud (ByCS Drive) gepackt. Wahrscheinlich muss man erst am eigenen Leib die Möglichkeiten der Cloud erfahren, um sie dann ins Klassenzimmer zu tragen. Gleichzeitig ist die Angst vor Unbekanntem hoch, dabei bräuchte es die gar nicht.

Mit dem oben genannten Aufwand ist es aber auch gar nicht so einfach, ein solches Arbeiten anzuleiten. Das ist aktuell für mich anstrengend, weil dadurch auch Zeit verloren geht. Aber je häufiger das jetzt auch Kollegen nutzen, desto häufiger habe ich Klassen, die dieses Arbeiten schon können. Und dann kann man gleich so schön tief einsteigen. Daher braucht es in meinen Augen bei steigender Gerätezahl oder Einführung von Tabletlklassen auch ein gemeinsames Mediencurriculum. Es ist ja kein Hexenwerk, die Kompetenzen zu ermöglichen (es gibt noch ein paar mehr ;-)), es ist nur eine Riesenanstrengung, wenn es nicht einigermaßen strukturiert abläuft.

Wo liegt der Mehrwert?

Man lernt so viel mehr als nur digital zusammenarbeiten oder das Thema. So z.B.

  • Förderung von sozialen und kommunikativen Kompetenzen
  • Verbesserung der Problemlösungsfähigkeiten
  • Erhöhung der Lernmotivation
  • Förderung von Eigenverantwortung und Reflexion
  • Verbesserung der Schreib- und Lesefähigkeiten
  • Förderung von Diversität und Perspektivenvielfalt
  • Sofortiges Feedback und kontinuierliches Lernen
  • ...

Mein Fazit:
Die Nutzung von Kollaborationstools im Unterricht geht weit über das bloße Teilen von Arbeitsblättern hinaus. Sie fördert kritisches Denken, soziale Fähigkeiten und digitale Kompetenz – alles Schlüsselqualifikationen für das Lernen im 21. Jahrhundert. Durch den Einsatz dieser Methoden wird mMn nicht nur die Zusammenarbeit gestärkt, sondern auch der individuelle Lernerfolg nachhaltig verbessert. Bei meinem Lieblingsbeispiel war es krass zu sehen, wie viel schneller und intensiver meine Schüler erkennbaren Lernfortschritt erreicht hatten (nach 3 Monaten intensivem Training/Coaching/einfachen Aufgaben bei anderen Themen). 

Dabei hat mir stark geholfen, dass ich selbst mit vielen anderen Lehrkräften zur Unterrichtsvorbereitung zusammenarbeite. Ein echtes Win-Win: Lehrkräfte, die sich mit dieser Kompetenz fordern, profitieren selbst – und ihre Schüler gleich mit!