In den letzten Jahren haben wir den Umstieg von Tabletkoffer auf Tabletklassen gewagt. Mit einem enormen Aufwand hinsichtlich Planung, Kommunikation und Zusammenarbeit sind wir letztes Jahr dann zusammen mit 250 anderen Schulen in Bayern in den Pilotversuch "Digitale Schule der Zukunft" mit eingestiegen. Da durfte dann am Ende die Evaluation bei Eltern, Schüler, und Lehrern nicht fehlen. Während wir uns von den Kids im Unterricht ein anonymes Feedback (dank Vorlagen vom KM) einholten und damit einen sehr guten Eindruck erhielten, nahmen an der Elternumfrage nur ein Drittel und an der Lehrerumfrage nur die Hälfte teil. Inwieweit dadurch die Ergebnisse noch aussagekräftig sind, lässt sich damit nicht sagen. Daher im Folgenden meine persönlichen Erkenntnisse aus den Umfragen und als Projektleiter.
Digitales Heft vs. Digitale Lernaufgaben?
Aus den Umfragen konnte man es vor allem bei den Schüler:innen gut herauslesen(90% haben tielgenommen): die überwiegende Mehrheit nutzt die Geräte im Unterricht, man hat viel Neues dazu gelernt und die Geräte haben den Unterricht verändert. In den Detailantworten konnte man dann lesen, dass u.a. Podcasts/Erklärvideos erstellt wurden, Internetrecherche häufiger zum Einsatz kam, vereinzelt KI im Unterricht verwendet wurde, uvm. Auf der anderen Seite stand da auch, dass oft nur das digitale Heft oder das digitale Schulbuch zum Einsatz kommt. Bei wenigen Lehrkräften scheint es nicht genutzt zu werden.
Einerseits habe ich in meinen vielen Hospitationen übers Jahr auch großartige Umsetzungen z.B. zum eigenverantwortlichen Arbeiten mit dem Kursnotizbuch gesehen, andererseits hätte ich da aber gerne noch mehr Elemente herausgelesen, welche die "Digitalkompetenzen" auch im Feedback darstellen. Mit den "Digitalen Lernaufgaben" vom ISB hatten wir einen Fokus bei der Arbeit in Tabletklassen gesetzt. Weil aber sehr viele Kolleg:innen zuerst einmal eine digitale Heftführung einführten und andere darauf aufsprangen, ist der Fokus wieder etwas verloren gegangen. Daher haben wir dieses Thema noch einmal in den Pädagogischen Tag und in unseren Mikro-Schilf-Plan gepackt.
Tatsächlich scheint es aber auch einfach schwer, guten und schlechten Unterricht anhand dieser Tools zu bemessen. Daher unterstützen wir auch weiter die Führung von Kursnotizbüchern oder digitalen Schulbüchern. Der Fokus auf die Kompetenzen soll nur weiter forciert werden.
großer Zuspruch und harsche Kritik
Sowohl bei Schüler:innen, Eltern und Lehrer:innen hatten wir hohe Zustimmungswerte für die Einführung. Während die Kids sehr euphorisch den Einsatz gutheißen, sind die Lehrkräfte und Eltern zwar positiv aber auch noch etwas skeptisch. Knapp die Hälfte der Eltern/Lehrer hätten sich noch etwas mehr erhofft. Das haben wir im Orga-Team aber auch gesehen: es gibt immer noch Potential nach oben.
Auf die Frage ob "die Geräte nützlich beim Lernen" sind, gab es eine breite Zustimmung. Schaute man dann aber in die (optionalen) Kommentare, konnte man in wenigen Einzelantworten auch eine sehr harsche Kritik an dem System erkennen. Das irritierte uns in dem letzten Jahr am meisten: bei einer sehr kleinen Gruppe von Eltern/Schüler:innen/Lehrkräften scheinen wir mit unserem Projekt einen wunden Punkt oder zumindest einen Nerv getroffen zu haben. Anders können wir uns diese Schärfe im Ton bei einer durchweg positiven Rückmeldung nicht erklären.
Auch bei einem Elternabend konnten wir das bemerken: Eine kleine Gruppe von Eltern sprach sich stark gegen das Projekt aus, so dass wir schon überlegten, es wieder abzubrechen. Bei einer anonymen Umfrage sprachen sich dann allerdings 95% für das Projekt aus.
Ich glaube daher, dass die Gegner der Digitalen Transformation immer weniger werden, aber vielleicht auch immer lauter. Wir müssen vielleicht noch besser werden, dass der Mehrwert erkannt wird. mMn ist es vielleicht aber auch eine Utopie, alle ins Boot holen zu können.
Regeln und Umsetzung
Auf die Frage, ob es an unserer Schule Regeln zum Einsatz von Geräten im Unterricht gibt, gab es eine klare Zustimmung. Das ist großartig, hat sich doch ein Team lange Gedanken gemacht, wie ein gemeinsames Miteinander in Tabletklassen organisiert werden könnte.
Liest man dann aber bei den Rückmeldungen der Schüler:innen weiter erkennt man, dass die Einhaltung wohl eher nicht so oft eingefordert wird. Zocken, Netflix, Chatten (trotz Sperre dieser Plattformen -> Umgehen durch Flugzeugmodus) während des Unterrichts scheint dennoch in manchen Klassenzimmern möglich gewesen sein. Auch spannend, dass viele Mitschüler dies als störend empfanden und sich mehr Durchsetzung erwünschten.
Ein schwieriges Terrain. Einerseits wollen wir Schüler:innen, die sich eigenverantwortlich und mit einigen Freiheiten um ihr Lernen kümmern können. Andererseits glauben wir auch, dass dies nicht mit einer Netflix-Serie in der Gruppenarbeit möglich ist. Das bedeutet dann aber auch, dass es Phasen gibt, in denen die Geräte zugeklappt oder flach auf dem Tisch liegen. Da müssen wir noch besser werden, wir wollen ja, dass damit auch gelernt werden kann.
Begleiten statt verbieten
Bei den Schüler:innen fragten wir, bei wem die Eltern die Zeit begrenzen, die am Gerät verbracht wird bzw. wie viele Eltern sich für deren Inhalte darauf interessieren. Die deutliche Mehrheit verneinte hier, die Kids werden mit den Geräten weitestgehend allein gelassen. Gleichzeitig beschwerten sich aber auch ein paar Eltern, dass Ihre Kinder jetzt zu viel Zeit am Bildschirm verbringen. Das ist eine Zwickmühle für uns: Wir wollen den Kids einen reflektierten Umgang beibringen und integrieren die Geräte in den Unterricht, gleichzeitig dürfen wir aber die elternfinanzierten Geräte nachmittags nicht einschränken, das wäre Aufgabe der Eltern.
Wir haben jetzt noch einmal in allen Elternabenden versucht aufzuklären und technische Anleitungen für das kindergerechte Einschränken von Inhalten aus dem www verfasst. Man muss nicht die Bildschirmzeit radikal beschneiden, aber allein das Beschränken einiger Inhalte, die wahrscheinlich selbst für Erwachsene ungeschickt wären, sollte eigentlich bei der Erziehung dazu gehören.
Einige Eltern haben uns aber auch zurückgemeldet, dass sie jetzt versuchen, ihre Kinder besser in dieser Welt zu begleiten. Für uns eine sehr wichtige Botschaft: mit den Tabletklassen ergibt sich auch eine Notwendigkeit für die ganze Schulfamilie sich Gedanken zu machen, wie die Kids mit dem Gerät groß werden sollen. Diese Reflexion wollen wir mit weiteren medienpädagogischen Angeboten für Eltern weiter vorantreiben und auch diskutieren.
In diesem Blogartikel hatte ich jetzt doch mehr die Kritik und die Unstimmigkeiten am Konzept im Blick. Als ich dann aber noch einmal das ganze Feedback von jemand anderem hab gegenlesen lassen, war der überrascht von dem starken positiven Feedback - trotz meiner Ausführungen. Alte Lehrerkrankheit, Lob rutscht durch, Kritik bleibt, man hat sich doch so angestrengt. Also habe ich es nochmal durchgelesen und mich auf die positiven Aspekte fokussiert. Das rate ich jedem, der ein solches Feedback angeht. Bei der immensen Arbeit, die in ein solches Projekt gesteckt werden muss, sollte man sich auch immer auf die Mehrheit fokussieren. An uns arbeiten können wir trotzdem, dann aber beschwingter :-)