Der Digitalpakt ist da!
Gut, den Eingefleischten hat das etwas zu lange gedauert, aber jetzt sollte auch dem Letzten klar sein: Die Digitalisierung wird auch an den Schulen
wichtig, wir müssen die SchülerInnen von heute auf eine veränderte Berufs- und Lebenswelt von morgen vorbereiten und noch vieles mehr.
In Bayern ging mit der Ankündigung des Digitalpakts quasi eine Verpflichtung zum Schreiben eines Medienkonzepts für jede Schule einher. Wer etwas vom Kuchen abhaben möchte, muss sich vorher ausführlich Gedanken machen, wie er Technik einsetzt und wie man damit Schulhaus und vor allem Unterricht selbst verändern möchte.
Wir hatten uns schon vor etlichen Jahren als Medienreferenzschule auf den Weg gemacht und einen Medienentwicklungsplan geschrieben. Diesen wollten wir aber noch einmal anpacken und den veränderten Zeiten (in ein paar Jahren ist viel passiert) anpassen. Außerdem hatten wir ein großes Problem: die Nachhaltigkeit. Nach dem geschriebenen Konzept, verebbte nach und nach die Initiative, andere Themen wurden wichtig. Wir wollten es also nochmal wissen, Schulleitung und Medienkonzept-Team. Aber vor allem ich wollte es wissen: kann ich meine Kollegen auch ins Boot holen wie ein paar Kollegen auf Fortbildungen? Denn wenn man Bildung nicht im Ganzen oder zumindest an der eigenen Schule auf den Weg bringen kann, welchen Wert hat es dann im kleinen elitären Kreis?
Drei Pädagogische Tage - flankiert mit Hausaufgaben
Ich hätte jetzt aus dem Twitterlehrerzimmer Kollegen anfragen können, die uns inspirierende Workshops und Vorträge gehalten hätten. Aber aus schon mehrfach genannten Gründen war es mir wichtig, dass für die Nachhaltigkeit die Impulse vom Kollegium ausgehen. Wenn der Sitznachbar etwas macht, dann ist es relevanter, als wenn der "Freak" von auswärts kommt und wieder geht.
Einen Impulsvortrag habe ich mir nicht nehmen lassen, die Diskussion digital ja oder nein, wann und wo und vor allem wie wollte ich mit einem roten Faden versehen. Ich hatte so viele Keynotes besucht, dass ich mit einem best of meine Kollegen wachrütteln wollte. (Folien findet man hier)
Anschließend gab es im 20 Minuten Takt Workshops, die digitale Elemente (am besten auch mit Zuweisung zu den Kompetenzen) vorstellen und aus der Unterrichtspraxis präsentieren sollten. Weit im Voraus hatte ich dazu Tutorials erstellt und damit Kollegen gewonnen, die es ausprobierten und am Pädagogischen Tag vorstellten. Hausaufgabe auf den nächsten Pädagogsichen Tag war es, etwas Ähnliches auszuprobieren und eine Reflexion darüber zu schreiben. Meinen Vortrag, alle Tutorials und einige weiterführende Links gab es zusammen gefasst in einem "Digitalen Lehrerzimmer". Dort hinein sollte auch die Reflexion geladen werden.
Am zweiten Pädagogischen Tag waren nun einzelne Kollegen aufgefordert, im Plenum von ihren Erfahrungen zu berichten. Kein Impulsvortrag, sondern die ersten Erfahrungen und Ideen im 7 Minuten Takt mit anschließender Diskussion. Anschließend wieder Workshops zu digitalen Tools oder Kompetenzen im 20 Minuten Takt - alles wieder von den eigenen Kollegen.
Hausaufgabe auf die nächste Pädagogische Konferenz war es, dass jede Fachschaft zwei Unterrichtsstunden unter Berücksichtigung digitaler Kompetenzen in den Fachschaftssitzungen auswählt, durchführt und diese in einer Vorlage so dokumentiert, dass es die anderen Kollegen nachvollziehen können.
Am 3. Pädagogsichen Tag wird es nun zu Beginn wieder einen Impulsvortrag mit den wichtigsten Erkenntnissen aus dem gesamten Jahr und den Eckpfeilern des Medienkonzepts geben und anschließend werden sich die Kollegen in einer Art Barcamp gegenseitig die Unterrichtsstunden vorstellen - unabhängig welcher Fachschaftszugehörigkeit. Dieser Rhythmus soll beibehalten werden, auch wenn es nicht immer einen Pädagogischen Tag dafür braucht. So wollen wir am Ende auch wieder über Unterricht reden, die veränderten Bedingungen gemeinsam stemmen und reflektieren.
Viele Hürden, keine 100% aber viel Unterrichtsentwicklung
Die Reflexion hatte etwa ein Drittel geschrieben, die Unterrichtsstunden haben aber fast alle Fachschaften geliefert. Dabei kamen geniale Ideen zum Vorschein aber auch Stunden, in denen ein Kahoot im Mittelpunkt stand. Während dieser ganzen Zeit wurde allerdings sehr viel diskutiert, geschimpft, man setzte sich mit dem Unterricht anderer auseinander, verfluchte die Technik, stellte die Digitalisierung in Frage... aber wir unterhielten uns und machten uns auf den Weg, ein Medienkonzept im Sinne aller zu verfassen.
Dabei ging es nicht ohne Pflicht, viele winkten (aus Angst, aus Aversion, aus Überforderung,...) mehrfach ab und sahen keinen "Mehrwert" in der Digitalisierung von Unterricht.
Im Team unseres Medienkonzept-Teams hatten wir eine im positiven Sinne sehr kritische Kollegin. Mit ihr und vielen anderen diskutierte ich und positiver Gestimmte oft stundenlang.
Irgendwann begann diese Kollegin dann einfach einen QR Code auszuprobieren. Das klappte so gut, dass sie sich an Videos wagte und schließlich die Schüler selbst im Religions- und im Deutschunterricht mit mysimpleshow ein Video erstellen ließ. In Religion von der Auferstehung Jesu, in Deutsch sollten die Schüler eine Ballade auf diese Weise erstellen.
Nun war sie völlig begeistert, kreierte neue Ideen und bastelte mit neuen Tools neue Unterrichtsszenarien. UND: Sie lud weitere kritische KollegInnen zu sich nach Hause zum Kaffee (in den Ferien) ein und erzählte denen, wie leicht das alles wäre und was man für tolle Sachen damit machen könne. Sie hatte ihren Weg gefunden und - viel wichtiger - andere mitgerissen. Ein kleiner Leuchtturm hat auf die anderen gestrahlt und Barrieren überwunden -> im Machen, mit einem QR Code zu Beginn.
Was würden wir anderen Schulen auf den Weg geben?
Ein Medienentwicklungsplan muss unbedingt von einem Team gestaltet werden. Der Verlauf und die Ausführung steht und fällt mit einer
heterogenen Gruppe, die aber aus Lehrern besteht, die anpacken und durchziehen.
Gleichsam werde ich unser Konzept hier nicht teilen (später kann man es auf der Schulhomepage finden),
jede Schule muss sich selbst auf den Weg machen, derartige Prozesse durchlaufen und versuchen alle dabei mitzunehmen. Gleichzeitig braucht man aber auch Input und Impulse. Wäre ich nicht so oft
unterwegs, hätte ich mir jemanden von auswärts geholt, um einen neuen frischen Wind hineinzubringen. Aber einarbeiten und beteiligen, dass muss vom Kollegium ausgehen. Digitalisierung ist eine
Kulturtechnik, die lernt man nicht im Zuhören oder Reflektieren, die versteht man im machen. Lehrer müssen zu Schülern werden, die gewillt sind, sich auf eine entdeckende Reise mit offenem
Ausgang zu machen.
Hier gilt es Freiwllige zu finden, Reflexionen oder Unterrichtsstunden auf Basis eines QR Codes nicht abzuwinken, die Mehrwert-Debatte immer wieder aufzugreifen, mit Co-Teaching unterstützend beizustehen und vor allem: Ideen bereit stellen. Wie oft kamen im Zuge unserer Planungen Kollegen auf mich zu, ob sie denn mal Unterrichtsstunden sehen könnten, wie man das mit dem digital macht. Keine einzige Lehrkraft bei uns hat eine Stunde eines anderen Kollegen kopiert oder nachgemacht, aber viele hatten aufgrund der Stunden plötzlich viele eigene kreative Ideen, fachliche wie digitale Kompetenzen in einer Stunde zu erreichen. Es gibt sie nicht, die perfekten Stunden, aber es gibt viele tolle Einheiten, die anderen zur Inspiration dienen. Selber machen ist dann ein leichterer Schritt als komplett neu denken.
Zahlreiche Tutorials oder Blogbeiträge zum Einsatz digitaler Kompetenzen in den Unterricht findet man bei YouTube oder auf ausgewählten Portalen. Die kann man seinen Kollegen schicken, die gewillt sind, sich auf den Weg zu machen, nur nicht wissen wie.
Wir sind auf dem Weg und haben noch einen weiten vor uns. Vor ein paar Wochen hing dieser
Artikel bei uns am schwarzen Brett. Angestrichen war der Satz: "bringt die Digitalisierung keineswegs besseren Unterricht hervor." Ich hab dann den letzten Satz angestrichen: "Die Studie
zeigt aber auch Wege, digitale Technik mit Gewinn einzusetzen: im Rahmen des sogenannten Flipped Classroom zum Beispiel" Das zeigt, dass wir noch immer im Diskurs stehen, wenn auch manchmal mit
Impulsen.
Wir haben dann auch darüber geredet über diesen stummen Impuls. Immerhin hängt kein Artikel mehr dort mit "Digital macht dumm, dement und dick." Irgendwann packe ich dann noch einmal die
Mehrwert-Debatte an, wobei ich glaube, dass es über die Hälfte schon verstanden hat.
Ich bin froh an einer Schule zu sein, die lebt, die eine Schulleitung hat die mitgeht und Lehrkräfte, die den Dialog suchen. Die Brücke zur
theoretischen Pädagogik und der Didaktik, sie muss von uns Basiskämpfern noch vermehrt gesucht und gefunden werden, damit man nicht neuen Wein in alte Schläuche packt und eine Veränderung nicht
nur das Ananolge zum Digitalen betrifft.
Am Ende zählt der Lehrer und auch vieles andere, das nicht digital ist. Lasst uns gemeinsam auf den Weg machen. Deutschland hat hervorragende Pädagogen und Didaktiker, die müssen jetzt nur noch gemeinsam verstehen, dass sie mit der Digitalisierung noch besser werden können.