Heute muss ich mal etwas beichten. Wobei das eigentlich ein schlechtes Wort ist, da ich gleichzeitig auch stolz auf meine neue Aufgabe bin:
Ich bin seit diesem Jahr Berater und Autor für digitalen Content in Form von Videos bei einem großen Schulbuchverlag.
Jahrelang habe ich zahlreiche Videos für meinen Unterricht erstellt, für fast jedes Thema der Realschule Unterrichtsmaterialien veröffentlicht und
frei zugänglich gemacht. Als dann die Anfrage kam, für ein Honorar zu arbeiten habe ich gezögert. Es widerspricht eigentlich meiner Einstellung seit fünf Jahren, all mein Unterrichtsmaterial frei
zugänglich zu machen. Trotzdem habe ich den Vertrag unterschrieben. Ich bin stolz darauf, freue mich auf die neue Aufgabe und habe trotzdem ein leicht flaues Gefühl im Magen. OER und Geld
verdienen, geht das zusammen? Ich glaube es geht...
Seit Jahren bewege ich mich im so genannten Twitterlehrerzimmer. Da gehört es zum guten Ton, seine Materialien unter Lizenzen zu stellen, dass Sie
jeder andere auch verwenden oder abändern kann. Das ist sehr sinnvoll, jeder Lehrer erstellt unzählige Materialien für seine Arbeit als Lehrkraft, diese an andere weiterzugeben ist für mich nicht
nur selbstverständlich, sondern sollte eigentlich zur Pflicht eines Beamten gehören. Damit spart man sich wieder Arbeit und bekommt gleichzeitig Einblicke in fremde Unterrichtsvorbereitungen,
welche die Diskussionen um guten Unterricht wahnsinnig bereichern.
Nicht jeder diksutiert hier auf Augenhöhe bzw. stellt eigene Materialien zum besseren Vergleich in die Öffentlichkeit. OER heißt manchmal auch, ein Macher zu sein und die ausschließlich Denkenden
im Bildungsbereich mit neuen Vorlagen zur kritischen Auseinandersetzung zu füttern. Das alles bringt die Bildung aber dann doch wieder weiter. Man lernt aus den Fehlern und macht neu. Daher hat
sich OER bei mir super bewährt und wird auch in den nächsten Jahren mein Steckenpferd sein, auch wenn ich mich nicht mit jeder Form der Kritik auseinandersetzen konnte/wollte.
Nun also zusätzlich Videos, die nicht unter freier Lizenz, sondern nur über den Schulbuchverlag zu beziehen sind. Das hat bei mir gleich das
schlechte Gewissen aufkommen lassen. Gleichzeitig habe ich aber in den letzten Jahren unzählige Stunden an Arbeit in das Neudenken meines Unterrichts gesteckt und damit auch eine große Menge
OER-Material erstellt. Für mich war dann einfach der Zeitpunkt gekommen, für eine solche Arbeit ab sofort auch Geld zu verdienen.
Gleichtzeitig schränkt es aber meine Arbeit für OER-Materialien nicht ein. Alte Videos, die denen vom Verlag ähnlich sind muss ich nicht löschen. Ich darf weiterhin zu allen Themen Erklärvideos erstellen, auch wenn ich für den Verlag schön ein Ähnliches gemacht habe. Es zeichnet sich sowieso ab, dass ich in ein Verlagsvideo ein deutliches Mehr an Arbeit stecken muss, weil die Ansprüche einer großen Lehrerschaft höher sind als die meiner YouTube-Abonennten. Somit unterscheiden sich die Videos und das wird dazu beitragen, dass ich beidem gerecht werden kann: weiterhin OER und nebenbei ein paar Videos unter "Verschluss".
Klar hat Geld auch eine Rolle gespielt. Nach fünf Jahren der Reisen und Zusatzarbeit habe ich einfach auch von der Familie zu hören bekommen, dass sie immer wieder mal zu oft auf mich verzichten muss. Ich kann nicht meine Freizeit nur für OER opfern, wenn ich schon mehr daheim fehle wie ein etwas freizeitfreudiger eingestellte Kollege. Eine einfache Rechnung: zu viel Verzicht auf den Papa soll wenigstens ab und zu den Urlaub mitfinanzieren.
DAS Argument für die Unterzeichnung des Vertrags war aber ein anderes: die Verbreitungsmöglichkeiten. Ich erstelle gerne Videos und wenn ich damit SchülerInnen beim Lernen und Lehrern beim Unterrichten helfen kann, ist das für mich die größte Belohnung. Meine Videos werden in vielen Bundesländern auf Plattformen zur Verfügung gestellt. Während mein Content auf YouTube wahrscheinlich nur von SchülerInnen und einzelnen Lehrkräften gefunden wird, hat das Schulbuch in seiner kommenden digitalen Form eine weitaus höhere Reichweite.
Ich hatte lange überlegt, ob ich meine neue Aufgabe verbloggen sollte. Aber in Zeiten von Offenheit und Transparenz fand ich es notwendig Euch mitzuteilen, dass ich jetzt eben nicht mehr nur OER bin und hoffe auf Euer Verständnis.
(den Verlag zu nennen, würde Werbung bedeuten. Das sehe ich nicht als meine Aufgabe an und darf ich als Beamter auch nicht. Deshalb spreche ich hier nur von einem Schulbuchverlag)