Nachlese #FCC2017 - Flipped Classroom Convention 2017

Das war er, der vorläufige Höhepunkt des schulischen Flipped Classroom in Deutschland. Derartig viele Praktiker bei einem Event, so viele interessierte und aktive Teilgeber und vor allem so eine perfekt organisierte Tagung,... das habe ich so noch nicht oft erlebt und wird es in der Form wohl nicht mehr oft geben. 

Freilich trifft man sich schon seit Jahren bei der ICM in Marburg oder St. Pölten, aber eine Zusammentreffen nur unter Gesichtspunkten des schulischen "umgedrehten Unterrichts" gab es noch nie. (Die Bilder im Folgenden sind Tweets, per Klick kommt man direkt dorhin).

Deutschlands umgedrehter Unterricht

Seit circa fünf Jahre gibt es in Deutschland Lehrer, die versuchen mit Hilfe des Konzepts Flipped Classroom Videos in den Unterricht einzusetzen. In den Jahren ist Einiges passiert. Über gemeinsamen Austausch (eine tolle community), gemeinsamen Netzwerken und vielen Fortbildungen wurde das Konzept immer weiter entwickelt: DEN flipped classroom gibt es heute nicht mehr. Aber in Berlin haben sich am 30.06 beinahe alle "Flipper" der ersten und zweiten Stunde getroffen, um sich in Workshops und auch nebenher auszutauschen und Interessierte zu informieren.

Freilich gibt es den Flipped Classroom auf universitärer Seite schon etwas länger. Einer der großen Vorreiter und heute wahrscheinlich der bekannteste Anwender des Konzepts ist Christian Spannagel. Es schließt sich der Kreis, dass er zusammen mit der Organisationschefin Julia Werner, mit Christian Ebel von der Bertelsmann Stiftung und Marion Doßner von Sofatutor als Veranstalter nach Berlin geladen haben. Seit drei Jahren sind sie das Projekt FlipYourClass.

Nicht nur irgendeine Tagung

Schon der Vernstaltungsort war ein Erlebnis für sich. Neben den kulinarischen Köstlichkeiten beeindruckte der Raum einer Kirche, eben mit einer großen Orgel.

Doch wollen wir bei den Inhalten bleiben. Ich habe mich schon oft gefragt, warum man bei innovativen Konzepten oft so derart inkonseuqent eigentlich innovative Tagungen mit reinen Vorträgen organisiert. Dies war für mich gefühlt das erste Mal bei der #fcc2017 nicht der Fall. Der Tag begann mit einer Fragerunde und aktivierte so viele Leute, dass Christian Spannagel die meisten der vorher überlegten Fragen wegklicken musste, um den zeitlichen Rahmen nicht gleich in der ersten Stunde zu sprengen.

"Was ist bei der Erstellung eines Videos wichtig". "Wie wichtig ist ein Video im Flipped Classroom?" "Macht man sich als Lehrer in dem Konzept nicht überflüssig" sind nur einige der diskutierten Fragen. Sowohl langjährige "Flipper", als auch newbies beteiligten sich an der Diskussion und ließen so ein Feuerwerk der Ideen und Statements entsehen. Für mich war das schon die gewinnbringenste Runde. Natürlich berichtete Julia Werner auch von den spannenden Ergebnissen der FlipYourClass-Projekts. Auf wissenschaftlicher Basis wurden in den letzten drei Jahren Flip-Klassen befragt und analysiert. Die Ergbenisse werden demnächst auch auf der Homepage des Projekts zur Verfügung gestellt. Einige davon wurden schon auf der Convention gezeigt. Man findet Sie auch auf der Homepage des Projekts: www.flipyourclass.de Dort werden im Laufe der Tage und Wochen auch die Ergebnisse, Videomitschnitte und Interviews der Tagung dokumentiert.

Workshops mit Vorbereitung

Nach dem Motto "teach what you preach" gab es für fast jeden Workshop Materialien zur Vorbereitung, damit man dann bei der Tagung selbst vertieft und vor allem teilnehmerzentriert in die Thematik einsteigen kann. Die Aktivierung aus der Eröffnung ging so in den meisten Workshops direkt weiter. In der ersten Runde ging es um fächerspezifische Themen. Flipped Classroom im Mathematik-, Fremdsprachen-, Geschichts-, naturwissenschaftlichen, BWR- und Deutschunterricht. Das allein zeigt auch schon, in wie vielen Fächern (und es gibt noch deutlich mehr) es bereits Überlegungen und didaktische Umsetzungen für das Konzept gibt. In meinem Workshop war ich überrascht, wie viele sich tatsächlich darauf vorbereitet hatten. Mit einigen Fragen und guten Ideen wurde meine mit 20 Minuten veranschlagte Diskussionsrunde gesprengt, ich musste sie nach 45 Minuten abbrechen. Danke an dieser Stelle an die Experten Oliver Büller, Steffanie Schallert, Sebastian Grabow und Lena Florian. Es ist bedeutend leichter und sinnvoller, wenn die Antworten nicht immer nur vom Workshop-Leiter kommen, sondern direkt von den Teilnehmern beantwortet werden (so ist es ja auch im Unterricht oft am geschicktesten). Auch im anschließenden Think-Pair-Share mit Placemat hätte ich locker noch eine Stunde drauf packen können, das Thema Flipped Classroom brachte lange Diskussionen zu Tage. Das war ein toller Workshop, wohl auch weil ich dieses Mal nicht so sehr im Zentrum stand, wie sonst bei Vorträgen. 

Workshops am Nachmittag

Jeweils zwei Runden an Workshops gaben dann die Experten am Nachmittag. Sebastian Stoll zeigte seinen Teilnehmern live, wie man mit einem Papierflieger-Video die SchülerInnen oder eben auch die TeilgeberInnen für den Flipped Classroom sensibilisert und aktiviert. Einige Workshops hatten das Tool H5P zum Inhalt, das seit einem Jahr nicht mehr von den Videos wegzudenken ist. Das für mich spannendste Projekt war Mathematiika von Lena Florian und Sebastian Grabow. Sie machen eigentlich ein "flipped mastery", geben den SchülerInnen gleich zu Beginn alle Materialien, die zur Bearbeitung stehen und lassen sie dann in ihrem eigenen Tempo daran arbeiten. Sie verwenden das Video, einen Text oder ein Projekt zur Einführung eines Themas, ihre Schülerinnen und Schüler können sich dann aussuchen, mit welchem Zugang sie sich das Thema erarbeiten wollen und dürfen dies ständig ändern.

Auch wenn es toll ist, immer wieder Teil eines Workshops zu sein, so zehrt dies dann auch irgendwann an den Kräften. Das geht bestimmt auch unseren SchülerInnen so. Ich habe daraus gelernt, dass eine gesunde Rhythmisierung im Schulalltag daher bestimmt hilfreich für das Durchhalten der SchülerInnen ist.

Ausklang

Auch am Ende lernten wir noch neue Methoden kennen. Christian Freisleben-Teutscher ließ uns mit Improvisationsmethoden den Tag Revue passieren lassen: Zwei sitzen sich gegenüber, beide sagen abwechselnd ein Wort, dass im Gesamten einen sinnvollen Satz zur heutigen Tagung ergeben soll. Innerhalb von ein paar Sekunden war der Saal laut und voller Gelächter. Nach weiteren Impros bauten wir dann noch einen Papierflieger, den wir mit unseren Wünschen und Fragen nach vorne werfen durften. Meine Frage: Wird es eine Fortsetzung geben, auch wenn das Projekt FlipYourClass im Oktober endet? Zu toppen dürfte die #fcc2017 wahrscheinlich nicht sein.

Ein große Community

Mein persönliches Fazit: Ich kannte so viele der Teilgeber und habe noch einmal so viele spannende kennen gelernt, dass ich mehr und mehr davon überzeugt bin, dass flipped classroom ein Konzept mit Zukunft ist, auch wenn man immer noch hier und da Stellschrauben anziehen muss. Auch die widirgen Wetterbedingungen taten den tollen zwei Tagen keinen Abbruch.

Erwähnen muss man an dieser Stelle auch, dass Christian Ebel und Marion Doßner sich sehr in den Dienst der Sache gestellt haben. Sie hatten bestimmt den größten Betrag in diese Veranstaltung investiert, waren aber immer nur damit beschäftigt, Stimmen für die Dokumentation einzufangen oder sich gar selbst um organisatorische Dinge zu kümmern. Man braucht finanzstarke Geldgeber, um so einen Tag zu stemmen, sich dann aber nicht so wichtig zu nehmen, sondern an der Gemeinschaft teilzunehmen oder sich sogar in den Dienst dieser zu stellen ist ganz großes Kino. Ich konnte an keiner Stelle Lobbyismus erkennen, nur zufriedene Gesichter, die eines vereint: der umgedrehte Unterricht.

Danke an Christain Spannagel und vor allem an Julia Werner, das ist so toll mit Euch zusammenzuarbeiten und dann Referent auf einer so perfekt organisierten Tagung zu sein. Ihr seid der Hammer.

Am meisten freue ich mich auf das bereits angekündigte Buch gegen Ende des Jahres, voll mit ganz vielen Praxisbeispielen und den Erfahrungen aus dem Projekt. Nachfolgend noch einige O-Töne von den Referenten und Flip-Anwendern, weitere findet Ihr in diesem Blogartikel (einfach auf das Bild klicken, dann kommt Ihr zu den Videos und Tweets.)