In der aktuellen Diskussion um Tools in der digitalen Bildung fällt mir immer häufiger auf, dass bestimmte Szenarien oder Apps den Unterricht immer
nur sehr kurz oder überhaupt nicht zum Besseren verändern. Was bringt mir eine tolle App, wenn Sie in einem Schuljahr nur 5 Minuten zum Einsatz kommt? Warum sollte ich ein Smartboard, einen
genialen Lehrer-PC oder ein makey-makey verwenden, wenn der Rest der Klasse zuschauen muss und immer nur einer aktiv wird? Warum sollte ich Calliope einsetzen, wenn dafür erst noch der Lehrplan
umgeschrieben werden muss und das in den Kanon aktueller Pläne nur zu einem kleinen Teil hineinpasst? (Zumindest mir hat sich der Sinn noch nicht erschlossen) Mein hochgeschätzter Kollege hat auf
seinem Halbtagsblog
ähnliche Überlegungen angestellt.
Damit "digital" in allen Klassenzimmern funktioniert, braucht es Tools oder Szenarien, die man morgen einsetzen kann, die alle bedienen können,
keinen Klassensatz Tablets vorraussetzt und nicht nur 5 Minuten hilfreich sind. Denn was neue Medien vor allem vermögen ist eines: den Unterricht effizienter, wertvoller und kommunikativer
machen. Nur elektronischer ist noch nicht besser.
Daher im Folgenden meine Vorschläge, wie man man digitalen Tools oder Tricks bestehenden Unterricht sofort ändern kann:
1. QR-Code + Shorten Link
Mit einem QR-Code macht man jedes vorhandene Arbeitsblatt digital. Gibt es ein tolles Video auf YouTube dazu? Per QR Code bringe ich den Link dazu
auf ein analoges Stück Papier. Sollen die Schüler selbst die Ergebnisse eines Lückentextes überprüfen? Möchte ich Tipps auf das Arbeitsblatt bringen oder irgendeine Form von Text, die der Schüler
nicht gleich sofort sehen soll? Denn hinter einen QR Code kann man nicht nur URLs, sondern auch Texte legen. Im Falle Text kann man diesen dann auch öffnen, ohne dass man mit dem Internet
verbunden sein muss.
Toll ist auch die Option, ein Bild oder eine PDF dahinter zu verbergen. So kann man z.B. auch das Lösungsblatt auf das Aufgabenblatt bringen (z.B. für die Verbesserung zu Hause). Ich habe QR Codes verwendet, um ein Input-Video ins Heft zu bringen: Neben den Hefteintrag kam der QR Code mit dem Video, ausgedruckt auf klebendem Papier. Oder ich habe solche Klebe-Qr-Codes unter Schulaufgaben geklebt, mit typischen Lösungsvideos zu Fehlern, die immer wieder vorkommen.
Ein Shorten Link verkürzt lange Links in kurze. Man erkennt zwar nicht mehr wohin der Link führt, dafür kann man diesen ins Hausaufgabenheft
abschreiben. Das als Alternative, wem es zu aufwändig ist, den Schülern den QR Code beizubringen (das ist nämlich selten den "digital natives" bekannt). Wer wissen will, wie man Shorten Link und
QR Codes generiert, einfach auf das Bild oder hierhin klicken .
2. Bewährtes digital verfügbar machen
Im "traditionellen" Unterricht gibt es Elemente, die immer wieder auftauchen und die meisten Lehrer selbst erstellen: Tafelbilder, Arbeitsblätter, Lerntheken, Arbeitsaufträge Gruppenarbeit, Musterlösungen, Skripte,...
All diese Elemente wären den SchülerInnen noch viel vorteilhafter, wenn man Sie Ihnen auch digital zur Verfügung stellen würde. Das Tafelbild
abfotografiert, Arbeitsufträge oder sogar Notizen eingescannt, Arbeitsblätter in PDF umgewandelt,... Heutzutage fehlen immer mehr Schüler im Unterricht, zu viele verschlampen Ihre Materialien,
manche werden mit dem Abschreiben nicht fertig,... Wie genial wäre es, wenn die Schüler darauf auch zu Hause zurückgreifen können, so wie sie es mit den meisten Dingen bezüglich Wissen über das
Internet gewohnt sind? Mit dem Tool QR Code kann man original Tafelbilder ins Heft bringen oder das PDF mit dem Skript neben den Hefteintrag kleben. Für den Lehrer wäre dies mit dem Smartphone
z.B. via Dropbox oder OneDrive möglich. Ein fotgrafiertes Bild wird über die App hochgeladen und dann kann dort auch ein Link davon erzeugt werden. Der wiederum kann den Schülern sofort ins
Hausaufgabenheft diktiert werden. Oder ab in den QR Code Generator oder zum Shorten Link und fertig ist das digitale Ergebnis der heutigen Stunde.
Auf der eigenen Homepage könnte man eine Linksammlung (also fast schon ein digitales Klassenzimmer) zur Verfügung stellen, wenn man will auch
passwortgeschützt. Oder man hat eine Lernplattform zur Verfügung, dann ist man noch im abgeschlossenen Bereich und kann Schülerwerke darin einpflegen. Als Beispiel könnt Ihr Euch einmal den
EduBlog der Realschule am Europakanal anschauen, genau das wurde hier umgesetzt. Das ändert den
Unterricht und macht einem vielleicht bewusst, was man anschließend noch alles zusätzlich integrieren kann. Außerdem ermöglicht es das mobile Lernen, Unterrichtmaterialien überall
verfügbar.
3. Feedback - Tools
Ok, damit wird vielleicht nicht direkt gelernt, aber solche Tools lockern jeden Unterricht auf. Die Schüler lieben es meistens und die Lehrer
erhalten schnell und zuverlässig ein Feedback bezüglich des Leistungsstandes. Probieren Sie z.B. das kahoot-Quiz, Ihre Schüler werden begeistert sein. Mit Fragen zum Unterricht treten Sie gegeneinander in Wettbewerb
und ermitteln einen Sieger. Das motiviert alle auch schon vorher sich mit der Materie intensiv zu befassen. Ab und zu eine Schokoladentafel ausgelobt hat sich dieses Tool bei mir und auch schon
bei einigen Kollegen zum Renner gemausert. Keine PCs an der Schule bzw. keine Handys der Schüler erlaubt? Dann kann man sich mit Plickers ein Feedback holen, oder auch den Klassensprecher
wählen. Mit LearningApps kann man Quizze erstellen, Memorys passend zum Unterricht gestalten oder auch die Schüler selbst ein Spiel
erstellen lassen. Mit mentimeter kann man anonyme Umfragen erstellen oder sogar den Klassensprecher wählen. Es
gibt zahlreiche weitere FeedbackTools, die man hier gar nicht alle aufzählen kann. Bei meinen Kollegen und auf den Fortbildungen kamen die Tools super an, man WILL sie von heute auf morgen
einsetzen, wenn man sie einmal erklärt bekommen hat.
Aber immer dran denken, genau so etwas macht das Lernen nicht besser, es ist eher ein Rückschritt in das Frage-Antwort-Spiel zwischen lehrer und Schüler, auch Lehrer-Schüler-Gespräch genannt. Aber es lockert auf und gibt einem schnell eine Lernzielkontrolle.
4. ein Video einsetzen
Das musste ja kommen, wenn einer selbst Videos erstellt. Aber tatsächlich ist das für mich immer noch der trivialste Weg für den Einstieg: Frontal kann jeder, echten schülerzentrierten Unerricht über das ganze Jahr findet man selten. Vielleicht ist das auch das ganze Problem. Während man mit digitalen Medien auf Kollaboration und Selbstständigkeit baut, wird hinter verschlossenen Türen die Tafel malträtiert. Daher mein Tipp, den eigenen Vortrag (den man zwingend halten möchte) einfach in ein Video packen und den Rest der Stunde schülerzentriert gestalten. Mir hat genau das die Augen geöffnet: Was kann ich meinen Schülern zumuten, wie bringe ich sie dazu, selbstständig zu arbeiten, wie komme ich aus der frontalen Rolle... Mit Tools wie Screencast-o-matic oder camtasia ist das Erstellen eines Video WIRKLICH ein Kinderspiel. Die größte Hürde ist eher das Sprechen und sich selber hören müssen. Aber keine Sorge, die Kinder hören Euch jeden Tag, sie werden es auch verkraften, den Lehrer in einem Video zu hören. Dank des Passwortschutzes bei vimeo.com muss man sich nicht einmal öffentlich präsentieren. Für mich immer noch das Tool schlechthin. Mit einem Erklärvideo den Unterricht öffnen, Unterricht auf den Kopf und das Lernen auf 2.0 stellen.
5. Bei Kollgen "klauen"
Ist es wirklich sooo schlimm, Material vom Kollegen zu stiebitzen? Mir scheint das wirklich der Fall zu sein. "Wenn ich es nicht selber mache schaut es so aus, als würde ich es nicht können." Viel zu oft habe ich diesen Satz schon gehört. Wahrscheinlich geprägt aus dem Referendariat, als wir Stunden damit zu brachten, perfektes Material zu erstellen, das es so ähnlich schon gab.
Aber wir sind doch Pädagogen und dank des Internets gibt es unzählige Matrialsammlungen überall im Netz. Hier kann man gute Arbeitsblätter etc. sogar käuflich erwerben oder anderen anbieten. Ständig schießen neue Plattformen aus dem Boden, die Unterrichtsmaterial teilweise kostenlos zur Verfügung stellen. Bei YouTube findet man beinahe zu jedem Unterrichtsthema passende Videos, teilweise sogar von Lehrern erstellt. Kahoot-Quizze gibt es schon so viele öffentliche, dass man oft gar nicht selbst eines erstellen muss.
Mein Tipp: Wem es fürs erste zu anstrengend ist, der soll doch einfach die ersten digitalen Wege mit dem
Material der Kollegen bestreiten. Wir sind doch Pädagogen auf dem Weg zum Lern-Begleiter, da sollten wir uns nicht noch länger mit dem Bereit-Stellen von Material abmühen, sondern das didaktische
Setting schülerzentriert auf Vordermann bringen.
6. Materialien digital organisieren
Möchte man die Vorteile des "digitalen Arbeitens" erfassen, muss man irgendwann bei der Organisation anfangen. In einer sauberen Ordnerstruktur alle Materialien ablegen, so dass man sie jederzeit auf dem Stick verfügbar hat. Dann kann man auch getrost alte Ordner wegschmeißen und/oder die darin enthaltenen Blätter vorher noch einscannen. Es befreit nichts mehr, als wenn das Arbeitszimmer ordnerfrei ist und man trotzdem alle Unterrichtsmaterialien zur Verfügung hat. Verlaufsskizzen von Unterricht gleich digital erfassen oder nach der handschriftlichen Notiz abfotgrafieren, To-Do-Listen bei OneNote zusammen notieren, Schulaufgaben der Kollegen direkt zur eigenen Schulaufgabe ablegen,... Ich habe mittlerweile über 80 000 Dateien auf meinem Stick und keine Ahnung, was da für Schätze liegen. Aber wenn ich eine Unterrichtsstunde zu einem bestimmten Thema halten möchte, gibt es einen Ordner mit sämtlichem Material und machmal sogar mit einem Zeitungsartikel, den ich passend dazu irgendeinmal darin abgelegt habe. DAS spart so viel Zeit bei der Unterrichtsplanung, ich frage mich tatsächlich wie ich das alles schaffen sollte, wenn ich alle Materialien auch noch in Papierform bringen müsste. Außerdem ist es dann nur noch ein kurzer Schritt, die Materialien den SchülerInnen digital zugänglich zu machen. (Zumindest die ich für nötig halte)
Ok, für diesen letzten Punkt wird man wahrscheinlich von den Kollegen generded. Aber eine saubere digitale Ablage, das ist es, was die Schule von vielen Unternehmen unterscheidet und vielleicht auch ein Grund, warum man insgesamt zu wenig Zeit für Unterricht hat.
7. Kollaborativ arbeiten - Think Pair Share
Eine Zeit lang gab es tolle Plattformen, auf denen man gemeinsam an Dokumenten schreiben konnte. Mit Hilfe eines Links erhalten alle eingeladenen Zugriff auf diese "Schreibfläche" und können dann unabhängig von anderen etwas dazu schreiben, kommentieren oder verlinken.
Übrig geblieben sind nicht mehr Viele. Darunter aber padlet und zumpad. Statt zu Beginn einer Stunde direkt in eine Diskussion zu münden könnte man folgende drei Arbeitschritte vollziehen:
1. Jeder Schüler denkt selbst über eine Fragestellung oder Pro/Contra nach. (5 Minuten)
2. Er tauscht sich mit seinen Nachbarn darüber aus und gemeinsam als sinnvoll erachtete Idee/Argumente werden zusammengefasst und eben auf diesem Padlet bzw. ZumPad hochgeladen/eingeschrieben. Dabei kann man auch Videos/Bilder/etc. verlinken.
3. Die Ergebnisse der anderen Gruppen werden gesichtet und kommentiert. Anschließend moderiert der Lehrer (oder auch ein Schüler) die Diskussion
bzw. die Ergebnissicherung. Falsches oder Unvorteilhaftes kann dann durch den Administrator gelöscht oder durch die anderen kommentiert werden. Dies eignet sich sowohl für Diksussionen,
Pro-/Contra-Argumentationen (auch in Verbindung mit einem Placemat - danke Sebastian Stoll, tolle Idee) oder
bei einer Erarbeitung eines neuen Themas. Anschließend kann man das Ergebnis auf der eigenen Plattform - falls vorhanden - auch nachhaltig einbetten.
Mit diesen Tools fällt es mir häufig leichter, Kollegen vom digitalen Weg in der Bildung zu überzeugen. Denn es betrifft den Unterricht und wie ich ihn leichter oder vielleicht aufregender organsieren und gestalten kann. Ein fertiger Flipped Classroom kann das nur bedingt.
Ich lade daher alle Kollegen ein, fangt klein an. Zeigt zuerst die einfachen Tools und Wege, redet mit Eurem Kollegium über guten Unterricht und was das Digitale dafür kann. Überfordert Sie nicht mit Zaubereien, für die erst eine eigene Stunde außerhalb des Lehrplans gebastelt werden muss.
Jap, war auch mein Fehler: Nur meinen Unterricht immer noch spannender und aufregender machen. Aber nur wenn sich viele ändern, kann sich die Bildung ändern und dazu brauchen wir keine großen technischen Leuchttürme.