Nicht, dass ich so arrogant bin zu wissen, welche Fehler Andere beim Erstellen eines Erklärvideos machen. Aber ich habe selbst in den letzten drei Jahren Dinge falsch gemacht, die ich mit diesem Blogartikel an Kollegen weitergeben möchte. Von wegen man kann seine Videos in ein paar Jahren wieder verwenden. Ich mache manche jetzt einfach zum zweiten Mal. Damit Sie zumindest meine Fehler nicht auch machen, will ich Sie im Folgenden auflisten. Aber ob es alle sind? Wer weiß, vielleicht ergänze ich im nächsten Jahr auf sieben Fehler :-)
1. Das Mikrofon ist zu schlecht
Anfangs möchte man mit einem geringen Aufwand erst einmal ausprobieren, was bei einem Videodreh heraus kommt. Erst danach nimmt man sich vor, etwas besser und professioneller zu machen. Einzig der Ton, der sollte von Anfang gut sein. Es gibt nichts Nervigeres, als wenn man seinen Lehrer mit einem Rauschen im Ohr hat und am Ende sogar noch sein Schmatzen hören kann. So ist es mir mit einem günstigen Headset gegangen. Über ein Jahr habe ich meine Videos so erstellt. Ein Wunder, dass die Schüler sie überhaupt angesehen haben. Beispiel gefällig? Besser ist auf jeden Fall ein USB-Mikrofon, davon gibt es Unzählige bei den bekannten Plattformen zu kaufen. Mein Favorit ist das Bezahlbare GoMic von Samson.
2. Die Sprechstimme ist langweilig
Wenn Sie das Video weiter oben gehört haben, dann dürfte Ihnen dieser Fehler vielleicht auch
aufgefallen sein. Steht man im Klassenzimmer ist es natürlich, dass man mit klarer Stimme und deutlich spricht. Oftmals auch etwas lauter als sonst, da mal wieder einer nebenzu flüstert. Zu Hause
in den eigenen vier Wänden ist man plötzlich ängstlich und sehr leise. Gründe? Angst vor dem Mikrofon, Aufnahmebuttonpanik, es ist peinlich, wenn der Partner einen zwei Stockwerke weiter auch
noch hört, der Vortrag wird öffentlich,... Trotzdem muss man sich bemühen, nicht nur deutlich, sondern auch laut zu sprechen. Sie konkurrieren später mit Videos auf YouTube, ob sie es wollen oder
nicht. Wenn Ihre Schüler etwas verstehen wollen und gerne zuhören sollen, dann haben sie keine Angst. Sehen Sie sich als Schauspieler, wenn Sie Ihr Fachwissen an andere weitergeben wollen.
Sprechen Sie auch nicht zu langsam, gerade die guten Schüler langweilen sich sonst. Die anderen können dagegen Passagen noch einmal wiederholen, sollte es mal zu schnell gegangen sein.
Nur weil Sie sich selbst nicht hören können heißt es nicht, dass Ihre Stimme schlecht ist. Lassen Sie das von Anderen überprüfen. Fast jeder ist bei der eigenen Stimme zu kritisch mit sich
selbst.
3. Zu perfekte Sprechform
Im Klassenzimmer ist es ganz normal, man redet und redet und redet. Dabei wird einem manchmal
gar nicht bewusst, dass man ganz schönen Mist verzapft. Kein Mensch kann improvisiert perfekt sprechen, höchstens man hat dies lange genug trainiert (z.B. mit ganz vielen Videos für Flipped
Classroom). Deshalb habe auch ich versucht die Videos so lange aufzunehmen, bis ich keinen Sprechfehler mehr gemacht hatte. Das was dabei heraus kam, war ein monotoner und scheinbar auswendig
gelernter Einheitsbrei ohne wirkliche Persönlichkeit. Da hilft einem dann auch eine laute Sprechstimme nicht mehr. Nach dem zehnten Versuch habe ich meine Videos einfach nicht mehr nachträglich
angesehen, sondern fertiggestellt und hochgeladen. Waren wirklich haarsträubende Versprecher darin, habe ich nachträglich bei YouTube einfach einen Vermerk gesetzt, wie es an dieser Stelle
richtig gehört. Nehmen Sie Abstand davon, alles perfekt zu machen. Die Videos müssen gut sein, aber für den Erfolg von Flipped Classroom braucht es bei den Erklärfilmchen keine
Perfektion.
4. Zu viel Nachbearbeitung
Man kann nach einem fertigen Video da noch eine Passage herausschneiden, da einen kleinen Teil
noch einmal neu aufnehmen, an einer anderen Stelle ein Bild oder einen Text dazu fügen... Das ist alles gut, wenn es das Ganze zusätzlich visualisiert und nicht überfrachtet. Aber trotzdem wird
es Ihnen die Zeit bei der Erstellung rauben. Für die Vorlage braucht man meistens schon sehr lange, die Videoproduktion sollte eigentlich nicht länger dauern, wie das Video am Schluss lang ist.
Das geht nicht von Beginn an, man muss auch seine Erfahrungen mit der Software machen. Aber versuchen Sie von Beginn an, ihre Aufnahmen effizienter zu gestalten. Für den Anfang hilft z.B. ein
zweiter Bildschirm, auf dem einen startet man die Software und auf dem anderen läuft der Screencast. So spart man sich schon einmal das Wegschneiden von Anfang und Ende. Wenn Sie immer am Stück
aufnehmen, lernen sie einerseits ordentlich zu artikulieren und benötigen wieder weniger Zeit. Denken Sie daran, im Unterricht können Sie Ihre Erklärungen auch nicht nachträglich schneiden.
Mein Verhältnis von Vorbereitung des Videos und Videoproduktion beträgt mittlerweile circa 90:10.
5. Lehrervortrag als Video
Vom traditionellen Unterricht her kommend versucht man meist, seinen eigenen Lehrervortrag genauso wie im
Unterricht in ein Video zu packen: Hinführung, Ergebnissicherung, Beispielaufgabe. Man erklärt hier noch etwas, was die Schüler unbedingt wissen müssen und beschreibt da noch ausführlich, welche
weiteren Möglichkeiten es gibt und ehe man es sich versieht, ist ein Video 20 Minuten lang. Ihre Schüler werden schon beim "Darauf-Klicken" keine Lust haben, es ganz anzusehen, ganz zu schweigen
von der didkatischen Sinnhaftigkeit.
Rhythmisieren Sie Ihren Unterricht neu. Überlegen Sie sich, an welcher Stelle des Unterrichts welcher Lehrerinput notwendig ist und wann Schüler etwas selbst erarbeiten können. Machen Sie nicht
den Fehler wie ich und erstellen Sie für jedes kleine Problem ein ausführliches Video. Man muss nicht immer eine Einführung auf den Nachmittag verlegen, es kann auch die Verbesserung einer
Aufgabe sein, mit der man im Unterricht Bearbeitetes korrigiert. Man kann mit einem Video auch Grundwissen auffrischen, um dann im Unterricht auf einer sicheren Basis selbstentdeckend
weiterzuarbeiten. Oder man verarbeitet in ein Video offene Aufgabenstellungen, die dann im Unterricht ausführlich besprochen werden. Splitten Sie die oben genannte Reihenfolge und setzen Sie die
Videos passend in eine Unterrichtssequenz.
Flipped Classroom stellt alles auf den Kopf. Man sollte mit der veränderten Unterrichtsgestaltung nicht den Fehler machen, alte Strukturen in neue zu pressen, sondern versuchen, den Unterricht
trotz der zeitweiligen Lehrerzentrierung in den Videos schülerorientiert zu öffnen.